Charme der alten Zeche

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Seit vier Jahren wohne ich mit meiner Familie in Witten im Ruhrgebiet. Zuvor habe ich keinen großen Bezug zum “Pott” gehabt. Alte Zechen, Bergwerke, Stollen, all das hatte nie wirklich eine Bedeutung in meinem Leben, warum auch? Nun sind wir aus jobtechnischen Gründen in diesem Ort zwischen Dortmund, Bochum und Hagen gelandet – und wir haben ihn inzwischen tatsächlich lieb gewonnen.

 

Es ist großartig mitzuerleben, wie aus den alten, recht ruppigen Industriestätten Kultur entsteht. Authentische Kunstwerke, nach und nach mit der Natur verschmelzend; rostige Maschinen von Efeu umrahmt, Schienenstücke mit alten Loren zufrieden neben einem Teppich gelber Wildblumen, ein Schornstein, der aus dichten Wäldern hervorragt. Es ist eine raue Schönheit entstanden, die von herzlichen Menschen verwaltet und mit Leben gefüllt wird. Dort finden Handwerkermärkte statt, Thementage, Kindergeburtstage und eine Reihe anderer Feste, die in ihrer einfachen und liebevoll-bodenständigen Art und Weise mein Herz erobert haben.

 

Das Industriemuseum Zeche Nachtigall ist für mich fast schon zu einer zweiten Heimat geworden. Ich habe eine Dauerkarte und so oft es geht, “flüchte” ich mit meinen Kindern aus der Stadt an diesen meist ruhigen, ungewöhnlich charmanten Ort.

 

Es gibt natürlich noch einen weiteren Grund, der mich zu der alten Zeche zieht und das sind die Geschichten der Menschen, die hier einst “malocht” haben. Dort wo wir über die Schienen hüpfen, sind sie mit kohlegeschwärzten Gesichtern aus den Stollen gestiegen, haben die unglaublich harte Arbeit versucht mit ein paar Witzen erträglicher zu machen und mit dem ein oder anderen Kumpel eine Lebensfreundschaft geschlossen. Mit den Helmen auf dem Kopf und dem Oberlippenbart sehen sie sich ähnlich, doch steckt hinter jedem einzelnen dieser fleißigen Arbeiter eine einzigartige Geschichte. Die meisten sind nicht erzählt worden, so versuche ich mir ihre Eigenarten vorzustellen, frage mich, ob sie Wünsche und Träume hatten und ob sie sich nach der Arbeit Zeit nahmen, das beruhigende Rauschen der Ruhr wahrzunehmen, die nur ein paar Minuten entfernt von der Zeche Nachtigall dahinfließt.